Gab es ein persönliches Erlebnis, welches dich motiviert hat, diese Vision weiterzuverfolgen?
Ich habe zwei Jahre in Indien gelebt, um dort meiner Forschungsarbeit nachzugehen. Vor meiner Wohnung lebte eine Familie auf dem Bürgersteig. Die komplette Familie bestand aus zwei Erwachsenen und zwei Kindern. Ihre Wohnung bestand aus diesen 2x2 Metern Bürgersteig. Am Anfang hat mich das betroffen gemacht. Ich habe versucht, sie zu unterstützen und Dinge aus meinem Haushalt abgegeben. Mit der Zeit habe ich ihr Leid einfach hingenommen. Bis eines Tages ein Baby auf dem Bürgersteig lag und die Familie nicht einmal Kleidung für dieses kleine Wesen hatte. Da wurde ich wieder wachgerüttelt und mir wurde bewusst, dass wir jeden Tag aktiv etwas dafür tun müssen, um die Situation zu verbessern.
Aber ich dachte auch, das kann doch nicht sein. Warum müssen wir immer erst negative Erlebnisse haben, um daraufhin etwas Gutes zu tun?
So sind wir Schritt für Schritt gemeinsam darauf gekommen, dass wir bei Sachen, die wir tagtäglich machen, eine positive Wirkung einbauen können. Das bedeutet, wir können all die Dinge tun, von denen wir wissen, dass sie richtig und wichtig sind und all das verbunden mit positiven Emotionen. Genau das passiert, wenn wir share Produkte kaufen und verwenden.
Wir wissen, dass vielen Menschen gar nicht bewusst ist, wie unglaublich günstig es sein kann zu helfen. Es ist ihnen nicht bewusst, dass es möglich ist, mit dem normalen Einkauf, fast ohne es zu merken, Gutes zu bewirken. Das möchten wir ändern und stattdessen unsere Botschaft verbreiten:
Wo fallen dir im Alltag besonders soziale Ungerechtigkeiten auf?
Leider an vielen Stellen. Wir machen mit share auch Projekte gegen Obdachlosigkeit und mit der Tafel Deutschland. In diesen Projekten teilen wir Wärme und Lebensmittel – wichtige Grundbedürfnisse, die auch in unserer Gesellschaft noch nicht allen Menschen zur Verfügung stehen. Das sind Aspekte, die wir tagtäglich mitbekommen.
Aber viele Aspekte sozialer Ungerechtigkeit bleiben privilegierten Menschen in ihrem Alltag verborgen. Das habe ich besonders mitbekommen, da mein damaliger Partner Sozialpädagoge war und mit vielen Familien in sozialen Brennpunkten und minderjährigen Geflüchteten gearbeitet hat. Dadurch habe ich gelernt, wie viel hinter den Kulissen passiert.
Natürlich gibt es die dramatischen Fälle, die wir im Fernsehen sehen. Aber es gibt in unserer Gesellschaft viele Menschen, die aus Familien kommen, wo alles gut zu laufen scheint, die jedoch hinter den Kulissen mit Schwierigkeiten wie Vernachlässigung und Gewalt zu kämpfen haben. Das hat mir klar gemacht, dass es auch bei uns viel zu tun gibt.
Wie würdest du deine persönliche Situation beschreiben? Wurdest du selbst schon sozial ungerecht behandelt?
Ich bin im Glauben aufgewachsen, dass soziale Ungerechtigkeit für mich nicht zutrifft. Ich hatte Zugang zu Bildungsmöglichkeiten und die Welt zu sehen. Auch mein Berufseinstieg erschien mir sehr chancengleich.
Ich habe aber auch bemerkt, je weiter man als Frau in der Arbeit fortschreitet, desto schwieriger ist es, weiterzukommen. Die Konkurrenz um Aufmerksamkeit, Ressourcen, Themen und Netzwerke findet in Deutschland eher nicht beim Berufseinstieg statt, sondern dann, wenn es um Einfluss, Macht und Positionen geht.
Das finde ich sehr schwierig und darum möchte ich mich persönlich einsetzen, dass mehr Frauen gründen und Verantwortung übernehmen.
Frauen und anderen marginalisierten Gruppen kann ich nur raten, zu netzwerken. Die Inhalte eures Studiums können nie so wichtig sein wie die Menschen, mit denen ihr studiert.