Sprechstunde

Carolin Gaffron: „Fußball kann viel Gutes tun und die soziale Integration fördern”

von Isabelle Diekmann
02.03.2023

Breitensportarten sind unheimlich wichtig für den sozialen Austausch und eine gesunde Psyche – das hat zuletzt die Corona-Pandemie mehr als deutlich bewiesen. Doch bürokratische Prozesse, hohe Kosten und Sprachbarrieren stellen junge Geflüchtete, die einem Sportverein beitreten möchten, vor große Hürden und schließen sie aus diesen Räumen der Begegnung aus. Genau deshalb hat Carolin Gaffron vor nun fast zehn Jahren den Verein Champions ohne Grenzen mitgegründet, der sich mit leicht zugänglichen Fußball- und Sportangeboten für eine nachhaltige Willkommenskultur für Geflüchtete in Deutschland einsetzt. Im Interview erzählt Caro uns, wieso Sportangebote für Geflüchtete so wichtig sind, wieso Vereine dringend umdenken müssen und welche Veränderungen sie bei den Spieler:innen über die Jahre beobachten konnte.

Was macht Champions ohne Grenzen? Aus welcher Idee heraus wurde der Verein gegründet?

Wir als Champions ohne Grenzen bieten offene, kostenlose und damit niedrigschwellige Sportangebote vor allem für geflüchtete Menschen an. Uns gibt es seit 2014 und wir haben uns damals gegründet, weil es diese Angebote eben noch nicht gab und wir gemerkt haben, dass viele Personen, die hier ankommen und Sport treiben möchten, aber nicht wissen, wo und wie sie das tun können. Sie sitzen viel zu Hause in ihren Unterkünften, dabei ist gerade der Sport eine gute Möglichkeit, um die soziale Integration voranzutreiben und zu unterstützen.

Und wie bist du selbst zur Idee des Vereins und der eigentlichen Gründung gekommen? Was ist deine Verbindung zum Fußball?

Ich bin selbst ehemalige Fußballerin und habe schon immer daran geglaubt, dass man mit Fußball sehr viel Gutes tun und durch den Sport soziale Integration fördern kann. Ich hatte immer den Wunsch, das in einem eigenen Verein zu tun – und so kam es dann zur Gründung.

Vor welche Hürden werden Geflüchtete gestellt, wenn sie in Deutschland einem Sportverein beitreten wollen? Welche sozialen Ungleichheiten gibt es?

Ich denke, die größte Herausforderung ist erstmal die Sprache – vor allem um die Angebote überhaupt zu finden. Es ist ja schon für Menschen schwierig, die Deutsch sprechen, alle Angebote zu finden, da Websites oft nicht aktuell sind und gar nicht ersichtlich ist, ob und wann die Trainings stattfinden. Man weiß nicht, ob man einfach hingehen kann und an wen man sich wenden soll. Und dann kommen noch Sprachbarrieren hinzu und viele trauen sich vielleicht gar nicht, zum Training zu gehen.

Ein anderes Problem ist, dass viele Geflüchtete Sportvereine aus ihren Herkunftsländern gar nicht kennen, da es dort meistens nur Profi- und keinen Breitensport gibt. Das heißt, sie wissen gar nicht, dass es die Möglichkeit gibt, im Verein Sport zu treiben, ohne Profi zu sein.

Auch Geld stellt natürlich eine Hürde dar. Man braucht Fußballschuhe und Sportbekleidung und muss Mitgliedsbeiträge zahlen. Viele wissen gar nicht, dass sie dafür Unterstützung bekommen können. Vereine unterstützen zum Beispiel Personen unter 27 – aber das ist einfach eine Informationslücke. Wir sind an der Stelle das Bindeglied zwischen Geflüchteten und Verein zu sein. Wir sind kein klassischer Sportverein, sondern eine NGO und spielen nicht im Spielbetrieb. Wir versuchen in Vereine zu vermitteln, zu begleiten und aufzuklären: Welche Kosten kommen auf dich zu, was musst du für deinen Spielerpass machen, was muss organisiert werden? Das stellt viele vor Herausforderungen.

Hinzu kommt die Lebensrealität der Geflüchteten. Vereine erwarten, dass man regelmäßig und pünktlich kommt. Viele Personen, die gerade erst nach Deutschland gekommen sind, haben ganz andere Sorgen, müssen zu Ämtern, haben Termine und können dann vielleicht auch nicht zum Training kommen. Bei regulären Vereinen stößt das oft leider auf Unverständnis.

Wie könnten diese Hürden vereinfacht werden? Was wünscht ihr euch als Verein bspw. von offiziellen Behörden?

Ich denke generell müssen sich klassische Vereine Angebote schaffen, die offener und flexibler sind – nicht nur für Geflüchtete, sondern für alle. Auch bei Corona haben wir gesehen, dass Bewegung für Kinder und Jugendliche super wichtig ist, viele leben aber mittlerweile in einer ganz anderen Lebenswelt, als es vielleicht früher der Fall war.

Außerdem muss der Fokus mehr auf Kooperationen und Netzwerke gesetzt werden. Wer meldet sich schon in einem fremden Land auf einen bloßen schriftlichen Aushang, der in einer Sprache geschrieben wurde, die man nicht versteht? Es braucht Menschen, denen man vertraut, die die Sprache sprechen und die einen mit an die Hand nehmen.

Welche Angebote können Geflüchtete bei euch nutzen? Wie ist der Prozess?

Oft ist es so, dass die Geflüchteten schon eine andere Person kennen, die bei uns im Verein spielt. Sie können dann einfach mit zum Training kommen und loslegen. Andere werden vielleicht über unsere Website auf uns aufmerksam, schreiben uns eine E-Mail – meistens passiert das über Vormünder oder Betreuer. Diese informieren wir dann und rufen die interessierten Personen auf, einfach zum Training zu kommen – am Anfang auch einfach so wie sie sind, in Straßenkleidung und ohne andere Vorbereitungen. Der Rest ergibt sich dann von ganz allein.

Wieso glaubt ihr, dass leicht zugängliche Sportangebote so wichtig sind? Welche Veränderungen stellt ihr bei Personen fest, die einem Verein beigetreten sind?

In allererster Linie ist es wichtig, dass sie hier Freundschaften schließen können und mit anderen Personen in Kontakt treten. Rauskommen, an die frische Luft gehen und sich bewegen – das ist total wichtig für die Psyche und hilft so Personen, die traumatische Erfahrungen machen mussten. Wir sprechen Deutsch im Training und arbeiten mit Sprachmittlung, das hilft beim Erlernen der Sprache und der Kommunikation unheimlich. Viele sind hier seit Jahren und kommen irgendwann immer wieder – egal ob regelmäßig oder unregelmäßig zu den Trainings oder zu Events.

Der größte Faktor ist also das Soziale. 

Bei den Frauen stellen wir außerdem fest, dass sie über die Zeit durch das Training selbstbewusster werden. Viele konnten und durften in ihren Herkunftsländern kein Fußball spielen – das Training wirkt sich insbesondere bei muslimischen Frauen über die Zeit positiv auf ihr Selbstbewusstsein aus.

Wie kann man euren Verein, außer mit Spenden, unterstützen?

Es gibt zwei Arten: Sehr gerne mit einer Spende. Finanzielle Mittel sind immer nötig, um Trainer:innen zu bezahlen, Materialien anzuschaffen, Verpflegung, usw. Wir haben Mitarbeitende, eine Verwaltung, all das muss gezahlt werden und oft kann das nicht nur über Fördergeld abgedeckt werden, sodass Spenden immer willkommen sind. Aber: Man kann sich auch immer gerne einfach selbst bei uns einbringen. Wir suchen immer Trainer:innen und Mitspieler:innen, die einfach ab und zu mitkicken, man kann bei Events unterstützen oder mit in den Vorstand gehen. Wir freuen uns immer über liebe Menschen, die unsere Mission unterstützen wollen.

Ein langjähriger Unterstützer von Champions ohne Grenzen ist der Fußballclub Hertha BSC, der sich seit einigen Jahren für Sportangebote für Geflüchtete einsetzt. Auch wir von share arbeiten mit dem Hauptstadtclub zusammen. Immer, wenn du im Olympiastadion Wasser bestellst, bekommst du das Wasser von share und unterstützt so den Brunnenbau für sauberes Trinkwasser in Sierra Leone. Aber mehr zu diesen wichtigen Partnerschaften erzählt dir Theresa Hentschel-Boese, die Leiterin des Corporate Social Responsibility-Bereichs von Hertha BSC.

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